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Franziska Seyboldt "Rattatatam mein Herz" 4,5/5 Sterne

 

KiWi Verlag (Kiepenheuer & Witsch) 1.Auflage 2018

 

251 Seiten

 

In diesem Buch erzählt Franziska Seyboldt von ihren Ängsten und Panikattacken. Es beginnt schon früh in der Kindheit, mit diversen unangenehmen Erlebnissen,die sehr prägend für ihre Zukunft sind. Seyboldt lässt die Vergangenheit Revue passieren und nimmt uns mit auf ihre gedanklichen Zeitsprünge.  Woher kam die Angst und warum war sie Freund und Feind zugleich? Immer widerkehrende Dialoge mit der Angst, muss sich der Leser vornehmen.

 

Ihre Ängste bestehen nicht nur aus dem einfachen Lampenfieber. Sie kann an schlechten Tagen weder ruhig an einer Kasse stehen, weil sie sich beobachtet fühlt, noch sich vor ihren Kollegen mitteilen, was auch schon damals bei Referaten in der Schule kaum machbar war. Angstschweiß, trockener Mund, nasse Hände, Herzklopfen, ein gefühlter Knock-Out steht vor der Tür und klopft an. An schlechten Tagen möchte sie im Boden versinken, flüchten, davonrennen. Als sie zum ersten mal, in der Arbeit, aus so einer Situation ausbricht, beschließt Franziska sich einer Therapie zu widmen oder sie muss kündigen, da der Leidensdruck zu groß wird. Die Angst kommt in Situationen, in denen äußere Umstände sie daran hindern, sich frei zu bewegen. Ob in der SBahn, im Meetingraum oder an der Kassenschlange. Sie weiß, sie muss ihre Einstellung zum Leben ändern, mit Belastungen lernen, umzugehen. Mit der Angst lernen umzugehen.  

 

Oft versucht sich Seyboldt auch durch Sarkasmus und schwarzen Humor selbst auf die Schippe zu nehmen.

 

ZITATE: "...fühle ich mich uralt, aber da ich meine Selbstachtung zusammen mit meinem Koffer schon vor Stunden abgegeben habe, ist das jetzt auch egal."

 

"Gibt es Ärger, weil sich die Angst im Handgepäck versteckt hat und auch nach mehreren Überredungsversuchen nicht gewillt war, meinen Rucksack zu verlassen?"

 

"...am Gang sitzt ein Mann, den ich mir eher nicht als Sterbebegleiter ausgesucht hätte, aber ich habe ja keine Wahl." (Im Flugzeug)

 

Seyboldt holt sich Hilfe. Ihr erster Therapeut ist eine Niete, aber wie durch eine glückliche Fügung bekommt sie bei Dr. Goldberg sehr schnell einen Platz. Diese tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie hilft ihr. 1 Stunde in der Woche nur über sich zu reden tut ihr und auch ihrer Umwelt gut. Später, nachdem sie ihr erstes Buch geschrieben hatte, bekommt sie Hilfe von einer Schauspielerin namens Karina. Diese bereitet sie auf zukünftige Lesungen vor, mit Trockenübungen. Sie setzt diese Ratschläge um und merkt das sie es sogar kann. Vor vielen Menschen zu lesen, ohne umzukippen.  

 

Sie lernt, nachdem sie ihre Angst öffentlich gemacht hat, sich nicht mehr darum zu kümmern was andere von ihr halten, sondern ihr ist es mittlerweile wichtiger, wie sich fühlt. Die Energie nicht mehr drauf zu verschwenden, die Angst verstecken zu müssen.

 

Franziska Seyboldt versucht mit ihrer Angst klar zu kommen, als ihr das mit den Jahren gelingt, verschwindet sie für eine lange Zeit, bis sie auf einer Geburtstagsparty geballt zurück schlägt.

 

Wie ergeht es Seyboldt danach und ist es jemals zu schaffen, die Angst zu besiegen?

 

Abschließend noch ein sehr wichtiger Punkt aus ihrem Buch

 

Zitat: " Auch wenn die aktuelle politische Weltlage Grund zur Sorge gibt und Minderheiten, egal welche, immer gefährlicher leben als die vermeintlich "Normalen" - aus Angst vor den möglichen Folgen einer Outings den Schein aufrechtzuerhalten, es sei alles in bester Ordnung, reproduziert ja das Dilemma, mit dem ich und viele andere zu kämpfen haben. Genau dieses Verhalten legt den Grundstein für eine Angststörung."

 

Dieses Buch ist absolut empfehlenswert. Da ich auch schon seit meiner Kindheit an Panikattacken leide, habe ich mich hier zu 100% wieder erkannt. Authentisch, direkt und ohne Rücksicht auf Verherrlichung, gibt die Autorin das heikle Thema um und mit der Angst unfassbar sicher wider.

 

Sehr lesenswert!

 

Danke für das Lesen meiner Empfehlung.

 

Eure Verena

 

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